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Die Vereinten Nationen und der Krieg

erschienen in der Zeitung Format, 31/06/06

Nicht zum ersten Mal in Ihrer Geschichte stehen die Vereinten Nationen dem Ausbruch eines Krieges und seinen zunehmenden Schrecknissen und Unmenschlichkeiten scheinbar machtlos gegenüber.
.Keines der effektvollen Instrumente, das ihre Charta dem Sicherheitsrat in die Hände gelegt hat und die auch im Nahen Osten immer wieder Waffengewalt, Tod und Verderben Einhalt gebieten konnten, ist bisher zum Einsatz gekommen. Wer nach der Macht der Vereinten Nationen sucht wird sie allerdings nicht im 38.Stock ihres Hauptquartiers in New York finden.Sie liegt besonders in den entscheidenden Fragen von Krieg und Frieden in den Hauptstädten der fünf ständigen Mitglieder des Rates ,die mit ihren Veto-Rechten oft auch nur mit ihrer blossen Androhung - den Kurs der Organisationen bestimmen können. Dieses von der heutigen Welt oft nicht mehr verstandene Sonderrecht der Siegermächte von 1945 war der Preis, um den auch grosse Mächte bereit waren, sich – so wie jedes „einfache Mitglied“- den internationalen Verhaltensregeln einer Weltorganisation zu unterwerfen. Auch die Hoffnung, dass dieses manchmal recht archaisch wirkende Attribut grosser Mächte mit dem Ende des Kalten Krieges, in dessen Verlauf sich vor allem die damalige Sowjetunion mit ihren legendären „Njets“ gegen den Westen zur Wehr setzte, verschwinden würde, hat sich nicht erfüllt.
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Die Vereinten Nationen sind daher so stark oder so schwach als es Interessen und Zusammenspiel grosser Mächte erlauben, die freilich immer wieder nach dem Mantel internationaler Legitimität greifen müssen, den nur eine Organisation mit universaler Mitgliedschaft und anspruchsvollen Zielen vermitteln kann.
Weil aber auch grosse Mächte, die Vereinigten Staaten eingeschlossen, der Vereinten Nationen bedürfen, zuletzt etwa im Streit mit dem Iran um nukleare Aufrüstung, trifft auch ihre Macht an Grenzen: legen sie die Vereinten Nationen zu lange in die Fesseln ihrer Interessen, kann sich dieses Instrument der Friedenssicherung schließlich als wirklich macht-und wirkungslos erweisen. Das wäre gerade in heutigen Situationen des Konflikts verhängnisvoll, wenn neben Staaten nur mehr schwer in Entscheidungen einzubindende„non state actors“wie die libanesische Hizbollah auf den Plan treten.Dieser neue Typ von Konflikten,, dieses Aufflackern von Gewalt,das sich nicht mehr in überschaubaren staatlichen Grenzen bewegt, ist auch gegen perfekte militärische Maschinen resistent.Er erfordert eine neue Form des Krisenmanagements,wie es einzig und allein den Vereinten Nationen mit ihrem Schatz an Erfahrungen,aber auch ihrem Kapital an Vertrauen zugetraut werden kann.
Effektivität und Autorität der Vereinten Nationen kommen allerdings nicht aus Gewehrläufen und Kanonen. Sie kommen aus einem in mehr als fünf Jahrzehnten aufgebauten Respekt der Welt vor einem vor allem moralischen Auftrag,der sich auch weit über Fragen von Krieg und Frieden hinaus erstreckt und der auch von einem eindrucksvollen Leistungsausweis begleitet ist. .Dieser Respekt, sein Halt in einer von den letzten Geschehnissen im Nahen Osten zutiefst aufgewühlten internationalen Gemeinschaft sowie der öffentlichen Meinung der Welt ist heute nachhaltig erschüttert.Den Preis für ein Abgleiten der einzigen, mit Legitimität und Universalität ausgestatten Weltorganisation in die tatsächliche Bedeutungslosigkeit würden allerdings auch die grossen Mächte zu bezahlen haben, die gestern wie heute ihre Kräfte für Friedenssicherung und Konfliktmanagement fesseln und lähmen..
Mit jeder Stunde, die gerade nach den unfassbaren Ereignissen der letzten Tage ungenutzt vergeht, kommt dieser Moment einen Schritt näher.

P. Jankowitsch


 
Peter Jankowitsch